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Deutsche Gesellschaft für Suchtmedizin e.V. (DGS)
Hauptthema des 11. Kongresses in Berlin (8.-10.11.2002)
"Professionelle Standards in der Suchttherapie
- internationale und fachbezogene Trends
Statement des Vorsitzenden, Dr. Jörg Gölz
Medizinische Diagnostik und Behandlung bedürfen systematisch entwickelter
Entscheidungshilfen für angemessene ärztliche Handlungsweise.
Dies ist aus vier Gründen notwendig:
° medizinische Effizienz (evidence based medicine und good clinical
practice)
° juristische Beurteilbarkeit (Patientenschutz)
° ökonomische Effizienz (Kosten-Nutzen-Gesichtspunkt)
° Vergleichbarkeit von Daten als Basis für Forschung und damit
medizinische Fortschritte.
Gerade bei komplizierten Krankheiten gibt es auch besonders viele ungeprüfte
Verfahren. Die Standardisierung des ärztlichen Handelns (selbstverständlich
mit einer individuellen therapeutischen Bandbreite) ist hier von besonderer
Bedeutung. Dies gilt, wenn folgende Merkmale der Krankheit vorliegen:
- kein einfacher Ursache-Wirkungs-Zusammenhang
- die Erkrankung zieht sich über mehrere Lebensabschnitte hin
- zur Behandlung ist eine fachübergreifende Kooperation nötig.
Suchterkrankungen sind der Prototyp dieser Erkrankungsformen. In der
deutschen Suchtmedizin fehlen aber zum Teil immer noch wissenschaftlich
fundierte Leitlinien. Wie auf anderen Gebieten der Medizin auch wird viel
über Geld und zu wenig über die bestmögliche Qualität
der Prävention und Versorgung geredet. International hingegen ist
die Entwicklung von Qualitätsmaßstäben ebenso wie die
Qualifizierung von Ärzten, die Suchtkranke behandeln, weiter fortgeschritten.
Klar ist dabei, dass der Vermeidung von Folgeschäden ("harm reduction")
größte Bedeutung sowohl für Betroffene als auch für
die Sozialversicherungssysteme zukommt.
Mehrere Wissenschaftsdisziplinen tragen aus ihrem Blickwinkel Teilaspekte
zum Thema Sucht bei - kein Fach kann den Vorrang beanspruchen. Jede Disziplin
schlägt unterschiedliche Verfahren zur Prävention und Therapie
vor. Im Bereich der illegalen Drogen kommt erschwerend hinzu, dass der
Gesetzgeber mit Prohibitionsmaßnahmen den Behandlungsprozess zusätzlich
nichtmedizinischen Auflagen unterwirft. Insgesamt haben wir es bei der
Behandlung von Suchterkrankungen mit einem Geflecht komplizierter Bedingungen
zu tun, die dringend einer Ordnung durch Leitlinien bedürfen.
Das Spektrum der angebotenen Therapieverfahren ist extrem umfangreich:
- von religiöser Erweckung über obskure Therapien bis hin zu
paramilitärischen Erlebnistherapien und sadistischen Ritualen in
fernöstlichen Klöstern;
- überwiegend psychotherapeutische Ansätze, reine Soziotherapie
oder rein medikamentösgestützte Interventionen;
- von der staatlich kontrollierten Vergabe des Suchtmittels bis hin zu
hirnchirurgischen Eingriffen (ehemalige Sowjetunion);
- auch innerhalb der einzelnen (durchaus auch der anerkannten) Therapierichtungen
ist daskonkrete therapeutische Handeln oft von hoher Beliebigkeit; die
Vorgaben sind dort nicht selten sehr vage gehalten.
Die Deutsche Gesellschaft für Suchtmedizin hat sich zum Ziel gesetzt,
Standards zu formulieren. Ohne solche Qualitätsmaßstäbe
ist ein internationaler Vergleich ebenso unmöglich wie ein Anschluss
Deutschlands an die internationale Suchtforschung.
Zwei Beispiele für die Arbeit der DGS:
* Eine zusätzliche Infektion mit dem Erreger der Hepatitis C oder
dem AIDS-Auslöser HIV führt zu schweren Erkrankungen mit manchmal
tödlichen Komplikationen, zur weiteren Verelendung der Suchtkranken
und zu erheblichen Belastungen für Gesundheitswesen und Volkswirtschaft.
Als erste Fachgesellschaft in Deutschland hat die DGS Leitlinien vorgeschlagen,
um eine genauso guteBehandlung von infizierten Suchtkranken wie von anderen
Menschen mit HIV oder HCV zuerreichen
Pressedienst dazu
Der Geschäftsführer der DGS, Prof. Michael Krausz (Direktor
des Zentrums für Interdisziplinäre Suchtforschung der Universität
Hamburg) ist wissenschaftlicher Leiter des von Bundesregierung undLändern
unterstützten Modellprojektes zur ärztlichen Heroinabgabe an
Suchtkranke. Das Projekt ist in seine konkrete Phase eingetreten. So hat
der 2. Vorsitzende der DGS, Dr. Klaus Behrend, jüngst inHamburg
die größte Ambulanz innerhalb des Heroinprojektes eröffnet.
Homepage DGS
Beim 11. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin in
Berlin vom 8. bis zum 10. November 2002 werden die Behandlungsstandards
suchtmedizinischer Versorgung sowohl im Hinblick auf körperliche
als auch auf psychische Begleiterkrankungen diskutiert. Dazu werden internationale
Studien und Erfahrungen vorgestellt.
Zu den "Tabuthemen" gehört zum Beispiel auch die Schmerztherapie
bei den in dieser Hinsicht völlig allein gelassenen Suchtpatienten.
Insgesamt bildet die Heroinsucht zwar einen Schwerpunkt, genauso aber
geht es zum Beispiel um Alkohol-, Nikotin- oder Kokain-Abhängigkeit.
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