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"Fehlt nur noch der Nobelpreis …"

Prof. Erich Saling, Berlin, der "Vater der Perinatalmedizin", feiert 80. Geburtstag

Berlin, 21.7.05 – Wer ihn und seine ungebrochene Aktivität kennt, mag es kaum glauben:
Der bekannte Berliner Frauenarzt Prof. Dr.med. Erich Saling wird 80!
Saling gilt weltweit als "Vater der Perinatalmedizin".
Erst kürzlich, am 25. Mai, wurde er in Barcelona zum Präsidenten der "International Academy of Perinatal Medicine" (IAPM) gekürt. Die IAPM ist eine Vereinigung von weltweit wissenschaftlich führenden Ärztinnen und Ärzten, die sich um werdende Mütter, Babys vor der Geburt sowie Neugeborene kümmern.
In seinem gemeinnützigen Institut kümmert sich Professor Saling bis heute, lange nach seiner offiziellen Pensionierung, um Frühgeburten. Denn trotz aller Fortschritte kommen immer noch alleine in Deutschland ungefähr 8.500 Babys sehr früh und untergewichtig mit dem großen Risiko zur Welt, lebenslang behindert zu sein. Ein großer Teil dieser "sehr frühen Frühchen" ist durch ein einfaches, von Saling entwickeltes Programm vermeidbar. Dies konnte in Modellen, z.B. im gesamten Bundesland Thüringen, nachgewiesen werden.
Der am 21. Juli 1925 geborene Erich Saling hat in den 50er und 60er Jahren damit begonnen, energisch gegen die damals in Deutschland beschämend hohe Säuglingssterblichkeit zu kämpfen. Sein erstes Buch darüber, das bis heute von Fachleuten in aller Welt zitiert wird, trägt den bezeichnenden Titel: "Das Kind im Bereich der Geburtshilfe". Denn der damals noch junge Arzt Saling hat den Fetus (das ungeborene Kind) als "Patienten" entdeckt. Er entwickelte zeitlebens immer wieder Früherkennungsmethoden und Behandlungsverfahren, die zahlreiche Babys gesund zur Welt kommen ließen. Die Verringerung von Säuglingssterblichkeit und von vermeidbaren Behinderungen – nicht nur in Deutschland – ist ganz wesentlich auf Prof. Saling zurück zu führen.
REDAKTIONEN:
Ein Foto von Prof. Saling bei der Ernennung zum IAPM-Präsidenten in Barcelona steht zur Verfügung. (siehe auch hier)
Ihre Anfrage bitte an:
> MWM
Überblick über das Wirken von Professor Erich Saling hier:
"Fehlt nur noch der Nobelpreis"
Das "Erich Saling Institut für Perinatale Medizin e.V.Ó lebt ausschließlich von Spenden: Spendenkonto Nr. 32 210 00 bei der Bank für Sozialwirtschaft (BLZ 100 205 00)
SWIFT-Code: BFSWDE31BER
Die Spenden sind steuerlich absetzbar.
Kontaktadresse:
Erich Saling-Institut für Perinatale Medizin e.V.
im Vivantes Klinikum Neukölln
Rudower Str. 48, D-12351 Berlin
Tel.: (030) 6004-8333/4; Fax.: (030) 625 40 87
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Privat:
Prof. Dr. med. Erich Saling
Ulmenallee 18 14050 Berlin
Tel.: (030) 302 57 66; Fax.: (030) 301 41 11
> Mail

"Fehlt nur noch der Nobelpreis …"

Mit dem berühmten Arzt und Wissenschaftler Rudolf Virchow, dem "Erfinder" der Pathologie als Lehre von den Ursachen der Krankheiten, verbindet ihn die Sichtweise, dass sich ein Arzt einzumischen habe, wenn es um gesellschaftliche Missstände geht und dass "Gesundheitspolitik Medizin im Großen" (Virchow) sei.
Zum berühmten Frauenarzt Ignatius Semmelweis (1818–1865) weist der Lebensweg von Professor Erich Saling gleich mehrere Parallelen auf. Beide kümmerten sich um Fortschritte in der Geburtshilfe. Während Semmelweis in Budapest geboren wurde und seine größte Entdeckung in Wien machte, stand Salings Wiege in den Karpaten, seine Welterfolge erarbeitete er in Berlin.
Semmelweis entdeckte die Infektion als Ursache des "Kindbettfiebers", an der damals noch fast ein Drittel der Frauen im Zusammenhang mit der Entbindung starben. Ihm war es zu verdanken, dass die Müttersterblichkeit durch einfache, vorbeugende Hygienemaßnahmen auf ein bis heute kaum mehr wahrnehmbares Maß zurückging – jedenfalls in den wohlhabenden Weltregionen.
Saling ist maßgeblich die starke Verringerung der Säuglingssterblichkeit zu verdanken.
Der 1925 geborene Arzt und Forscher wollte sich nicht damit abfinden, dass sich so gut wie niemand um das Ungeborene kümmerte und drohende Risiken perinatal, also schon vor, während und kurz nach der Geburt, abzuwenden suchte.
International trägt Professor Saling, inzwischen fast 80 Jahre alt und immer noch höchst aktiv, längst den Namen: "Vater der Perinatalmedizin".
Und noch etwas verbindet Saling und Semmelweis: Beide mussten um Anerkennung ringen, gegenüber konservativen Professoren, auch in Gesellschaft und Politik, und beide waren beziehungsweise sind kämpferische Geister – was gut ist für die Sache.

Alles begann Mitte der fünfziger Jahre mit einem Schlüsselerlebnis für den jungen Assistenzarzt Saling. Frauenheilkunde war eigentlich alles andere als sein Lieblingsfach, aber hier war wenigstens eine schlecht bezahlte Stelle frei geworden. Bei einem der ersten Male, als er im Kreissaal helfen musste, kam ein völlig blasses Baby zur Welt, kaum in der Lage, zu atmen. Mit kräftiger Hand klatschte der Oberarzt auf das winzige Neugeborenen-Gesäß. "Seht ihr, so macht man das", verkündete er den betroffen dreinblickenden Nachwuchsärzten und Hebammenschülerinnen. Er erinnert sich bis heute sehr genau daran, was er damals gedacht hatte: "Oh je, das kann doch nicht der Stand der Wissenschaft sein, ein Kind im Schock so zu behandeln!"
Aber "Stand der Wissenschaft" war das damals leider doch, nämlich zu versuchen, Neugeborene mit Atemnot oder -stillstand mittels "physikalischen Reizen" ins Leben zu holen. In den Lehrbüchern standen – gelinde gesagt – kuriose Methoden, bis hin zu dem Vorschlag, Zigarrenrauch in den Po zu blasen.
Die Frage, was man für Babys vor, während und nach der Geburt tun kann, ließ Erich Saling Zeit seines Lebens nicht mehr los. Er entschied sich für das zunächst ungeliebte Fach. 1958 bestand er die Prüfung als Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe.
Schon in dieser Weiterbildungszeit bastelte er, der als Sohn eines Försters immer schon handwerklich geschickt und technisch interessiert war, mit einfachsten Mitteln ein Gerät zusammen, mit dem er Sauerstoff in die kindliche Lunge blasen und Schleim absaugen konnte. Dabei hatten Chirurgen und Anästhesisten zu dieser Zeit überhaupt gerade 'mal angefangen, Erwachsene zu "intubieren" und mit Sauerstoff zu beatmen. Aber die Idee, so auch Neugeborene zu retten, war bestechend.
Als nächstes hat Saling den Feten (das ungeborene Kind) in gewisser Weise "entdeckt" – als Patienten, dem man helfen kann. Bis dahin hatte sich so gut wie keiner seiner "Altvorderen" um "Das Kind im Bereich der Geburtshilfe" (so der Titel von Salings erstem Buch) so richtig gekümmert. Und dies, obwohl doch schon seit eh und je hätte bekannt sein müssen, dass – wie es der Berliner Professor später formulierte – "die Zeit um die Geburt herum die gefährlichste im Leben eines Menschen" ist.
1960 folgte die nächste von vielen wichtigen Erfindungen. Denn die Wiederbelebung von Neugeborenen war zwar eine gute Sache. Besser aber wäre es doch, die Sauerstoffmangelversorgung vor der Geburt zu entdecken. Saling entwickelte die erste Technik überhaupt, mit deren Hilfe der Zustand des Ungeborenen im Mutterleib diagnostiziert werden konnte, die "Fetalblutanalyse". Er entnahm winzige Mengen Blut, um festzustellen, ob das Kind genügend Sauerstoff erhält. War (und ist) dies nicht der Fall, kann es durch künstliche Geburtseinleitung vor dem drohenden Erstickungstod gerettet werden.
Es ist nicht zu viel gesagt: Damit war die Zeitenwende in der Geburtsmedizin eingeläutet.
Erich Saling wurde 1968 Professor, aber erst 1976 Chef der Geburtshilflichen Abteilung im Städtischen Krankenhaus Berlin-Neukölln.
Fast genauso lange hatte er, der angesichts der vielfältigen Aufgaben für die Spezialisierung in seinem Fach und für die weitgehende fachliche Abgrenzung von Frauenheilkunde und Geburtsmedizin eintrat, kämpfen müssen, um endlich ein Forschungsinstitut zum Wohle von Mutter und Kind zu erhalten. In diesem Zusammenhang lernte Saling, dass Vernunft und gute Argumente, dass Lebensrettung und mögliche Ersparnisse im Gesundheitswesen lange nicht ausreichen, um Strukturen in Hochschulen und Krankenhäusern zu ändern und um Politiker zu überzeugen.
Zwar wurde die in Deutschland viel zu hohe Säuglingssterblichkeit allseits beklagt. Damals starben etwa 35 von 1.000 Neugeborene und Kleinkinder im ersten Jahr nach der Geburt, eine international beschämende Zahl. Heute sind es weniger als fünf pro Tausend. Und dies ist in ganz erheblichem Maß auf das – längst nicht beendete – Lebenswerk von Erich Saling zurück zu führen.
Doch als dieser in den sechziger und siebziger Jahren eine entsprechende, bundesweit wirkende Forschungseinrichtung in Berlin vorschlug, stieß er auf verkrustete Strukturen und taube Ohren. Erst die Berichte in Zeitungen und Fernsehen, protestierende Mütter und die Unterstützung namhafter Persönlichkeiten sowie schließlich auch Salings leise Drohung, einen angebotenen Lehrstuhl in Kanada anzunehmen, machten es schließlich möglich, dass die Berliner Landesregierung das "Institut für Perinatale Medizin" einrichtete.
Es hat sich mehr als gelohnt.
Was folgte, waren Entdeckungen und Erfindungen, die dazu führten, dass man mit Fug und Recht sagen kann: Berlin wurde noch einmal Ausgangspunkt einer revolutionären und segensreichen Entwicklung auf einem besonders wichtigen medizinischen Gebiet. Die weiteren Neuerungen, die Saling einführte, lassen sich gar nicht alle aufführen. Nur einige davon:
° Die Amnioskopie, also die "Fruchtwasserspiegelung": durch Betrachtung des Fruchtwassers kann seither der Zustand eines gefährdeten Feten in der Spätschwangerschaft eingeschätzt und nötigenfalls eingegriffen werden.
° Saling entwickelte verfeinerte Messmethoden, um den Zustand des soeben geborenen Kindes besser beurteilen und gegebenenfalls frühzeitig reagieren zu können.
° Kinder, die falsch herum im Mutterleib liegen ("Steißlage") waren früher stark gefährdet. Fast immer war ein Kaiserschnitt nötig. Saling führte eine Methode ein, um den Feten von Außen zu wenden und so häufig eine gefahrlose, "normale" Geburt zu ermöglichen.
° Eine große Gefahr für Mutter und Kind stellten früher (von der Scheide zur Gebärmutter) "aufsteigende Infektionen" dar. Saling entwickelte Methoden, um dies zu vermeiden.
° Manche Frauen neigen in jeder Schwangerschaft zu Frühgeburten – ein großes Risiko für die Gesundheit des Kindes. Der "Vater der Perinatalmedizin" fand auch hier Möglichkeiten, um dies häufig zu verhindern.
° Und schließlich entwickelte Professor Saling sein "Frühgeburten-Vermeidungsprogramm" für alle Schwangeren. Und daran arbeitet er nach wie vor.
Zwischenzeitlich, in den späten sechziger und in den siebziger Jahren, hatte er, der sich immer für das Wohlergehen von Frauen und Kindern eingesetzt hat, zusätzlich an einer unerwarteten "Front zu kämpfen". Es waren die Zeiten, als auch das "ärztliche Patriarchat" attackiert wurde, die "Medikalisierung des natürlichen Vorgangs" Schwangerschaft und Geburt angeprangert, die "kalte Atmosphäre" in Krankenhäusern allgemein und besonders in Geburtskliniken – manchmal zu Recht – kritisiert, die Hausgeburt propagiert wurde.
Saling konnte kontern: Mit dem Argument der unvergleichbar höheren Sicherheit für Mutter und Kind in der Klinik, mit der Tatsache, dass die meisten Häuser längst familienfreundlich gestaltet worden waren, mit einer Umfrage, die zeigte, dass sich fast alle Schwangeren und Gebärenden hier sehr wohl fühlten.

38 Jahre war Erich Saling "offiziell" tätig, die meiste Zeit davon leitete er gleichzeitig eine der größten Geburtskliniken Europas, war aktiver Professor und bildete Nachwuchs aus, forschte, gründete in Deutschland und für Europa wissenschaftliche Fachgesellschaften sowie medizinische Fachzeitschriften, rief einen bis heute regelmäßig stattfindenden deutschsprachigen und ebenso einen internationalen Perinatalmedizin-Kongress ins Leben und kämpfte für die Belange von Müttern, Vätern und Kindern.
Es ist kaum erwähnenswert, dass ihm dies alles internationale Anerkennung und zahlreiche Ehrungen und Preise einbrachte, mehr noch, dass internationale wissenschaftliche Auszeichnungen nach Erich Saling benannt sind. Er gehört ferner zu den wenigen Forschern aus Deutschland, der in der internationalen Liste der wissenschaftlich meist Zitierten auftaucht. Auch in Deutschland wurde ihm zwar das Bundesverdienstkreuz verliehen – aber das heißt lange nicht, dass ihm auch die berechtigte und notwendige Unterstützung gewährte wurde und wird.
Nach seiner Emeritierung als Professor im Jahre 1991 wollte sich Erich Saling nicht aufs Altenteil begeben, sondern seine wissenschaftlichen Erfahrungen weiter zum Wohle von Mutter und Kind einbringen. Der Wunsch aber, dafür weiter in seinem alten Institut mit bescheidenen öffentlichen Mitteln forschen und arbeiten zu dürfen, wurde ihm nur in zu begrenztem Umfang und nur auf sehr kurze Zeit erfüllt. Womöglich waren Manche froh, einen oft unbequemen Mann los zu sein.
Aber gerade mit dieser Beharrlichkeit hätte man rechnen können:
Der Professor gründete 1993 das "Erich Saling Institut für Perinatale Medizin e.V.". Das Hauptarbeitsgebiet dort sind abermals Frühgeburten. Denn trotz aller Fortschritte: Noch immer kommen alleine in Deutschland ungefähr 8.500 Babys besonders früh zur Welt mit dem großen Risiko, lebenslang behindert zu sein (die Zahl der weniger problematischen Frühgeburten liegt weit darüber). 40 Prozent dieser "sehr frühen Frühgeburten" sind vermeidbar. Und dafür hat Saling ein wirklich verblüffend einfaches Programm entwickelt. Schwangere Frauen können einen simplen Test zu Hause anwenden, um ein erhöhtes Frühgeburtsrisiko zu erkennen. Wenn dies allgemein angewendet würde, könnte – neben unsäglichem Leid – "so ganz nebenbei" im deutschen Gesundheitswesen rund eine halbe Milliarde Euro jährlich eingespart werden.
Viele Frauen sind Salings Aufruf gefolgt und haben den Test gemacht, einige Krankenkassen haben in verschiedenen Regionen Modellprojekte gestartet. Doch die Ergebnisse müssen ausgewertet werden, die einfache und effektive Methode müsste bundesweit bekannt gemacht werden, und weitere Forschungsarbeiten sind notwendig. Aber, wie gesagt, finanzielle Unterstützung der öffentlichen Hand fehlt, und so ist Salings gemeinnütziges Institut weiter dringend auf Spenden* angewiesen. Dies kann einen engagierten Arzt, Wissenschaftler und Kämpfer für die Sache nicht abhalten.
Und eigentlich fehlt nur noch der Medizin-Nobelpreis – falls der noch zu Erichs Salings Lebenszeit einmal nicht an molekularbiologische Grundlagenforscher vergeben werden sollte – vorgeschlagen dafür war er bereits.


 
 

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