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Pressekonferenz vom 22. Juni 2006:
Schicksalsschlag Schädelhirntrauma Ergebnisse einer Studie
zur Versorgung von Menschen mit Schädel-Hirn-Verletzungen
Was läuft falsch in der Rehabilitation von Schädelhirnverletzten?
Prof. Klaus R.H. von Wild
Nur ein verschwindend geringer Prozentsatz der
akut Hirnverletzten, die wegen des Ausmaßes ihrer Verletzung stationär
behandelt werden, bekommen eine Neurorehabilitation. Von diesen wenigen
wiederum wird nur die Hälfte neuropsychologisch behandelt, obwohl
sie an mental-kognitiven Funktionsstörungen leiden. Das zeigt ein
unverständliches Defizit.
Von 5.221 in diesem Zusammenhang erfassten hirnverletzten Patienten
wurden nur 258, das sind knapp fünf Prozent, nach Abschluss der Akutversorgung
in eine Spezialabteilung für stationäre Rehabilitation verlegt.
Es scheint so, als seien sich die erstbehandelnden Ärzte noch immer
nicht ihrer Verantwortung für den Verletzten jenseits der Notfallbehandlung
bewusst. Das Defizit im Versorgungsablauf gilt auch für den ambulanten
Rehabereich.
Früher stand das Überleben des Unfallopfers im Vordergrund.
Heute gilt es hingegen angesichts der deutlich besseren medizinischen
Möglichkeiten zusätzlich, vermeidbare Folgeschäden zu verhindern.
Durch rechtzeitige Weichenstellung können und müssten zudem
geschädigte Funktionen so weit wie möglich wieder hergestellt
werden, bevor ein Patient vollends aus seiner Lebensbahn geworfen wird.
Diese dringend notwendige Frührehabilitation gehört heute unverzichtbar
zum Qualitätsmanagement von Unfallverletzten. Die Voraussetzungen
dafür sind mittlerweile in unserem Gesundheits- und Sozialsystem
eigentlich hervorragend. Ziel ist die Wiederherstellung geistiger Funktionen
wie Orientierung, Denken, Sprechen, Planen und sinnvolles Handeln sowie
von körperlicher Unabhängigkeit und Mobilität als Grundlage
der Lebensfreude.
Die von der Hannelore Kohl Stiftung geförderte und gemeinsam mit
dem Institut für Qualität und Management im Gesundheitswesen
erarbeitete Studie zeigt erstmals objektiv die Leistungsfähigkeit
der neurologischen bzw. neurochirurgischen Frührehabilitation.
Für die Region Hannover beträgt der Anteil an Rehapatienten
55 %; bezogen auf Schädelhirnverletzte sind dies aber nur 3,1 % verglichen
mit Münster (45 % / 5,4 %, wobei hier mehr Patienten stationär
versorgt werden). In Hannover kommen pro Jahr 370 Fälle von Schädelhirnverletzungen
auf 100.000 Einwohner vor, in Münster 249 / 100.000. Die in die Akutklinik
eingebundene Abteilung für Frührehabilitation (Clemenshospital
Münster) wird offensichtlich stärker genutzt. In der Region
Münster werden deutlich mehr Menschen zwischen 16 und 20 Jahren sowie
Ältere ab dem 65. Lebensjahr eingewiesen als im Raum Hannover; dafür
gibt es in Hannover mehr schädelhirnverletzte Kinder unter 15 Jahren.
Auch die landläufig als "leicht" bezeichnete Gehirnverletzung,
mit der keine sichtbare Lähmung einher geht, kann durchaus mit schwerwiegenden
Denk- und Bewusstseinsbeeinträchtigungen verbunden sein. Auch dies
zeigt die Studie erstmals. Von 115 Patienten einer Rehabilitationsklinik,
die bei der Erstaufnahme in die stationäre Reha als leicht verletzt
eingestuft worden waren, mussten 89 (= 75,6 %) bis zu drei Monate stationär
rehabilitiert werden. Dies zeigt die tatsächlichen funktionellen
Beeinträchtigungen auch bei "leichten" Fällen. Hier ist also
ein Umdenken aller Beteiligter erforderlich.
Die mit 43 Prozent bemerkenswert große Anzahl von Komplikationen
während des Rehabilitationsverlaufes sind hinsichtlich Struktur-
und Prozessqualität von besonderer Bedeutung: Sie erfordern nicht
nur eine sofortige Diagnose, sondern eine adäquate fachärztliche
Mitbehandlung, wie sie am besten in einer Abteilung für Frührehabilitation
möglich ist, die in ein Schwerpunktkrankenhaus integriert ist.
Zusammenfassend:
Die Versorgungs- und Ergebnisqualität der Früh- und Langzeitrehabilitation
sind erwartungsgemäß auf hohem Niveau. Die Strukturen werden
jedoch noch nicht ausreichend genutzt.
Ansprechpartner:
Prof. Dr.med. Klaus R.H. von Wild
Neuroscience Consulting
Frauenburgstraße 32, 48155 Münster
Tel.: 0251/397 77-50; Fax: -51
E-MAIL
Presse-Kontakt:
MWM-Vermittlung
Kirchweg 3 B, 14129 Berlin
Tel.: 030/803 96-86; Fax: -87
ZNS Hannelore Kohl Stiftung
- Frau Nicola Jung -
Rochusstraße 24, 53123 Bonn
Tel.: 0228/97 84 50; Fax: 97 84 555
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