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Mehr oder weniger Schaden für Suchtkranke und Gesellschaft -
was wollen die Verantwortlichen denn nun wirklich?
Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin e.V.
(DGS) - 4/02
Während die Bundesärztekammer endlich neue Richtlinien
zur substitutionsgestützten Behandlung Opiatabhängiger vorgelegt
und der Schadenminderung einen großen Stellenwert zugesprochen hat,
sind die meisten Landesärztekammern dabei, das mühsam aufgebaute
System der ärztlichen Behandlung für Heroinabhängige ernsthaft
zu gefährden.
Einerseits:
Die früheren Vorschriften zur Vergabe von z.B. Methadon ("AUB-Richtlinien")
waren beschränkt auf Patienten mit bereits vorhandenen schweren
Folgen des Heroinkonsums und zu einseitig von der Abstinenztheorie geprägt.
Nunmehr soll - vernüftigerweise - der suchtmedizinisch qualifizierte
Arzt entscheiden, welche Therapieform je nach der individuellen Lage zu
wählen ist. Die deutsche Gesellschaft für Suchtmedizin (DGS)
begrüßte in einer Pressemitteilung, dass die Bundesärztekammer
nun der langjährigen Forderung nachkommt, helfen zu können,
bevor oft lebensbedrohliche medizinische Komplikationen eintreten.
Wirklichkeit werden diese Richtlinien allerdings erst, wenn auch der "Bundesausschuss
der Ärzte und Krankenkassen" eine entsprechende Änderung seiner
AUB-Richtlinien beschließt und damit die Leistungspflicht der Krankenkassen
garantiert. Die Beratungen in diesem Gremium dauern zur Zeit an.
Andererseits:
Zugleich aber droht Gefahr für die Kranken und (wegen der mit Folgeschäden
verbundenen immensen Kosten) für Sozialversicherungssysteme und Steuerzahler.
Bisher gab es die "Fachkunde Suchtmedizin" für Ärzte, die
Substitution durchführen. Ab dem 1. Juli 2002 schreiben die Landesärztekammern
für alle suchtmedizinisch tätigen Mediziner eine Qualifikation
namens "suchtmedizinische Grundversorgung" vor. Damit soll neben der ambulanten
Behandlung der Abhängigkeit von illegalen Drogen auch eine bessere
Versorgung von Alkoholkranken gefördert werden. Eine einheitliche
suchttherapeutische Qualifizierung für die künftige ambulante
Versorgung ist zwar prinzipiell begrüßenswert. Ihre Durchsetzung
in der aktuell geplanten Form ohne Rücksicht auf gewachsene
Versorgungsstrukturen ist jedoch absolut kontraproduktiv, beklagt die
DGS. Denn dies bürdet jenen Ärzte, die Heroinabhängige
schon heute qualifiziert behandeln, eine nicht tragbare zusätzliche
Belastung auf. Der Zwang zum Ausstieg für die Ärzte aus dieser
Versorgungsform und Versorgungsengpässe für die Patienten werden
die Folge sein.
Eine Ausweitung auf andere Teile der ambulanten Suchtmedizin können
viele substituierenden Ärzte gar nicht leisten. Sie sollen jetzt
aber gezwungen werden, eine zusätzliche Ausbildung mit hohen Kosten
und hohem Zeitaufwand auf sich zu nehmen, um weiterhin das zu tun, wofür
sie doch schon qualifiziert sind - nämlich zur Zeit 40.000 Patienten
behandeln. Jede der 17 bundesrepublikanischen Ärztekammern hat im
übrigen andere Übergangsbestimmungen für diese Ärztegruppe
geschaffen.
Die alltägliche Arbeit mit Abhängigen ist zeitaufwendig und
verlangt großen persönlichen Einsatz des Arztes. Die Budgetierung
der Ressourcen im ambulanten Bereich hat inzwischen zu einer skandalösen
Unterbezahlung dieser therapeutischen Arbeit geführt. Der verordnete
Zwang zu weiteren finanziellen und zeitlichen Investitionen wird für
viele substituierende Ärzte ihre Entscheidung zum Ausstieg aus der
ambulanten Suchttherapie fördern.
Ab Juli werden in manchen Großstädten viele Patienten neue
Ärzte suchen müssen. In den ländlichen Regionen der alten
Bundesländer werden viele substituierende Ärzte die Behandlung
zwangsweise beenden müssen. Patienten müssen dann wieder bis
zu 70 Kilometer täglich zum substituierenden Arzt fahren. Völlig
verheerend wird der Zusammenbruch der Substitutionsversorgung in den neuen
Bundesländern werden.
Ohne eine rasche Reaktion von Kammern, Kassenärztlichen Vereinigungen
und Gesundheitspolitik auf diese Situation entwickelt sich die längst
überfällige Qualitätssicherung in der ambulanten Suchttherapie
zum Bumerang: Ein gut qualifizierter Teil der Suchttherapie wird auf längere
Zeit zerschlagen.
Für den Vorstand der DGS
Dr. Jörg Gölz, Prof. Dr. Michael Krausz, Dr. Klaus Behrend
Ansprechpartner:
Dr. Jörg Gölz
Vorsitzender der DGS
Kaiserdamm 24, 14057 Berlin
Mail an Dr. Gölz
Pressekontakt:
MWM-Vermittlung
Kirchweg 3 B, 14129 Berlin
Tel.: (030) 803 96 86
mwm@mwm-vermittlung.de
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