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DGPPN Kongress 2004
Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde
ICC Berlin, 24. bis 27. November 2004
Demenzen: Heute Arzneien zur Linderung, morgen vorbeugende Impfung?
Von Prof. Isabella Heuser
"Demenzen" sind zerstörerische Veränderungen im Gehirn, die
über Jahre hinweg fort schreiten und die den Verlust der im Lauf
des Lebens erworbenen geistigen Fähigkeiten zur Folge haben. Die
bekannte "Alzheimer-Krankheit" ist also nur eine mögliche Demenz-Form
wenn auch die häufigste im höheren Lebensalter ,
und umgekehrt ist nicht jede "Vergesslichkeit", auch im Alter, eine Demenz.
Demenzen sind jedoch ein zunehmendes Problem für Betroffene und ihre
Angehörigen und auch für das Gesundheitswesen. Alle bisherigen
(auch neueren) Medikamente können die Krankheit nicht heilen, sondern
nur den Verlauf verlangsamen und die Lebensqualität verbessern. Die
Ursache der Alzheimer-Krankheit ist bis heute nicht restlos aufgeklärt.
Allerdings gibt es wissenschaftliche Erkenntnisfortschritte, so dass Hoffnung
besteht, das Risiko eines Menschen, an dieser Demenz zu erkranken, frühzeitig
zu erkennen und eines Tages eine Art "Impfstoff" zur Verfügung zu
haben. Untersuchungen in dieser Richtung laufen.
Als häufigste neurologisch-psychiatrische Erkrankungen der über
70-Jährigen nehmen Demenzen ständig zu. Unter allen Demenzen
ist die vom Alzheimer-Typ am häufigsten. Schätzungsweise 1,2
Millionen Alzheimer-Kranke gibt es zur Zeit in Deutschland. Die daraus
folgende sozioökonomische Belastung der Gesellschaft ergibt sich
nicht nur aus den direkten Behandlungs- und Betreuungskosten, sondern
auch aus den indirekten Kosten durch die enorme Belastung von pflegenden
Angehörigen, die dann zum Teil ihrerseits psychiatrisch erkranken
(Depression, "Burn-out-Syndrom").
Früher wurden "Nootropika" bei der Alzheimer-Erkrankung eingesetzt,
deren Wirksamkeit sehr umstritten war. Inzwischen haben "Antidementiva"
den Anspruch, dort einzugreifen, wo nachweislich die krankhaften Prozesse
ablaufen. Dazu gehören heute zum einen die neueren "Acetylcholinesterasehemmstoffe"
(Donepezil, Rivastigmin, Galantamin), zum anderen das schon lange in Europa
eingesetzte und kürzlich auch in den USA zugelassene Memantin, das
einen anderen Wirkungsmechanismus hat (NMDA-Rezeptorantagonismus). Alle
diese Medikamente sind entsprechend den im Patienteninteresse strengen
staatlichen Zulassungsverfahren auf der Basis von großen, statistisch
einwandfreien Studien unterworfen worden.
Das Ziel einer Behandlung mit einem Antidementivum ist langsameres Fortschreiten
der Alzheimer-Krankheit, denn heilen können diese Arzneimittel nicht.
Sie können aber sehr wohl die Lebensqualität für die Patienten
und deren Angehörige verbessern sowie die Geschwindigkeit, mit der
die Demenz fortschreitet, bremsen. Die derzeit verfügbaren Substanzen
führen zu einer für den Patienten selbst gar nicht unbedingt
bemerkbaren anfänglichen Verbesserung der Symptomatik. Nach
etwa zwölf Monaten ist Demenzerkrankung dann aber wieder so fortgeschritten,
dass der klinische Ausgangsbefund wieder erreicht ist. Das bedeutet also,
dass unter Medikation für etwa ein Jahr eine Verschlechterung der
Betreuungs- und Pflegesituation unwahrscheinlich ist.
Wünschenswert wäre angesichts dieser Situation, eine Therapie
für die Alzheimersche Erkrankung zur Verfügung zu haben, die
den Ausbruch der Krankheit entweder verhindert oder bei schon Erkrankten
zum Stillstand bringt. Von diesem Ideal sind wir noch weit entfernt, aber
die enormen Erfolge bei der Aufklärung der zugrunde liegenden Krankheitsmechanismen
haben in den letzten zehn Jahren immerhin dazu geführt, dass genauere
Vorstellungen von den Entstehungsmechanismen entwickelt wurden.
Laut molekularbiologischen und biochemischen Erkenntnissen kommt es bei
Erkrankten aus bisher noch ungeklärten Gründen zur Ablagerung
des klebrigen und für die Nervenzellen tödlichen Eiweißproduktes
Beta-Amyloid. Die Ablagerungen (Amyloidplaques) sind auch im Gehirn nicht-dementer
älterer Menschen zu finden, aber im Gehirn der Erkrankten kommen
sie in großen Mengen vor. Bereits Alois Alzheimer, nach dem diese
Erkrankung benannt worden ist, hat Anfang des 20. Jahrhunderts diese Veränderungen
im Gehirn der Patienten beschrieben.
Wichtig: Die vermehrte Amyloidablagerung bei Alzheimer-Kranken beginnt
schon relativ früh im Leben, aber die typischen Beschwerden, nämlich
die starken Gedächtnisstörungen, fallen in der Regel frühestens
ab dem 60. oder 65. Lebensjahr auf. Zu diesem "klinischen Zeitpunkt",
wenn also nach sorgfältiger ärztlicher Untersuchung klar wird,
dass hier tatsächlich eine Erkrankung vorliegt, hat der zugrunde
liegende krankhafte Prozess schon über viele Jahre und möglicherweise
Jahrzehnte die Nervenzellen nachhaltig beschädigt.
Folgerichtig werden derzeit die Risikofaktoren der Krankheit und ihrer
Vor- und Frühstadien intensiv erforscht. Die Forschung sucht
nach biologischen "Markern", die sich möglicherweise im Blut oder
im Nervenwasser finden oder die durch bildgebende Verfahren sichtbar gemacht
werden können.
Die Abschätzung des individuellen Risikos anhand solcher Hinweise
ist die Voraussetzung für die Entwicklung von Immunisierungsstrategien
gegen die Alzheimersche Erkrankung. Deren Ziel ist es, die Patienten vor
den toxischen Amyloidniederschlägen zu bewahren.
Derartige "Impfungen" werden derzeit erforscht.
Versuche mit transgenen Mäusen (Tiere, die genetisch so verändert
wurden, dass sie besonders viel Amyloid im Gehirn ablagern) haben gezeigt,
dass eine solche Immunisierung tatsächlich nicht nur den weiteren
Niederschlag von Beta-Amyloid bei diesen Mäusen verhindert, sondern
dass auch bereits geformte Amyloidplaques, die sich den Nervenzellen angelagert
haben, zum Verschwinden gebracht werden können. Mit dieser "Amyloidputzaktion"
gingen auch die in Verhaltensexperimenten beobachtbaren Gedächtnisstörungen
bei den Mäusen zurück.
Diese Entwicklung ist sehr interessant, beim Menschen allerdings noch
nicht ausgereift. Erste Untersuchungen haben leider ergeben, dass der
Impfstoff von etlichen Patienten nicht vertragen wurde und dass sie eine
heftige Entzündungsreaktion des Gehirns erlitten.
Zur Zeit wird fieberhaft und durchaus viel versprechend an neueren,
verbesserten Impfstoffen gearbeitet, die dieses Risiko nicht mehr haben
sollen. Es besteht Hoffnung, dass in vielleicht zwei bis fünf Jahren
erste klinische Studien dazu unternommen werden können.
Ansprechpartnerin:
Prof. Dr.med. Isabella Heuser
Charité Universitätsmedizin Berlin
Psychiatrie, Campus Benjamin Franklin
Eschenallee 3, 14050 Berlin
Tel.: (030) 8445-8701; Fax: -8726
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Pressekontakt:
MWM-Vermittlung
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Tel.: 030/803 96-86; Fax: -87
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