|
|
|
DGPPN Kongress 2004
Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde
Auswirkung der Gesundheitsgesetze
auf die Versorgung psychisch kranker Menschen
Pressetext von Prof. Jürgen Fritze, Pulheim
In der Gesundheitspolitik geht es offenbar immer vorrangig um Geld.
Die Frage ist, was dies gerade für Menschen mit seelischen Krankheiten
bedeutet. Ein Beispiel dafür, wie wichtig es nicht nur für die Betroffenen,
sondern auch für unsere Sozialversicherungssysteme ist, finanzielle Ressourcen
richtig einzusetzen, sind die Demenzen (siehe Pressetext
Prof. Heuser, 26.11.): Sie werden in den kommenden, wenigen Jahrzehnten
von jetzt schon einer Million Fälle auf mindestens 1,5 Millionen zunehmen.
Denn die begrüßenswerte Verlängerung des durchschnittlichen Lebensalters
lässt auch das Risiko von "Alterskrankheiten" steigen. Aber Vorschläge,
die den demographischen Wandel berücksichtigen und damit die Generationengerechtigkeit
gewährleisten, fehlen weitgehend. Die aktuelle gesundheitspolitische Diskussion
wird vom Streit um verschiedene Finanzierungsmodelle bestimmt. Die Finanzierung
der Forschung, um die Früherkennung und bessere Behandlung der Demenz
und damit auch eine Entlastung der Krankenkassen zu erreichen, ist ebenfalls
nicht ausreichend gesichert.
Die seit 2004 geltenden Zuzahlungsregelungen treffen psychisch Kranke
insofern besonders hart, als manche von ihnen zu Beginn des Jahres in
die Illiquidität getrieben werden. Daran ändert auch die Tatsache wenig,
dass die Definition des Begriffes "chronisch krank" an sich psychisch
Kranken entgegen kommt. Es ist zu begrüßen, dass einige Krankenkassen
modellhaft Ratenzahlungen gewähren, sie sollte aber generell ermöglicht
werden. Insgesamt aber sind die Zuzahlungen insbesondere bei psychisch
Schwerkranken kontraproduktiv: Sie stehen den jahrelangen Bemühungen um
einen niederschwelligen Zugang zu allen Hilfsangeboten entgegen, besonders
bei der Soziotherapie.
Die Benachteiligung psychisch kranker Menschen geht über Ihre allgemeine
gesellschaftliche Ausgrenzung (siehe Pressetext Prof.
Gaebel zum Thema "Stigma", 24.11.) hinaus bis in die Details des
Kassenrechtes. Dazu gehören nur scheinbare "Kleinigkeiten" wie die
Fahrtkosten bei tagesklinischer Betreuung sie werden nur marginal
erstattet, und dies steht dem Ziel der offenen Behandlung ("so viel ambulant
wie möglich") entgegen.
Das neue Krankenhausentgeltsystem (DRGs) geht ins dritte Jahr. Einrichtungen
der Psychiatrie und Psychotherapie sowie Psychosomatik sind mit gutem
Grund ausgenommen, zumal sie seit 1991 mit der Psychiatrie-Personalverordnung
(Psych-PV) einen modernen Weg beschreiten. Die Bereitstellung des dringend
gebrauchten Personals entsprechend der Psych-PV werden aber immer weniger
erfüllt, teilweise nur zu unter 70 Prozent. Dies birgt eindeutig die Gefahr,
dass die erheblichen Fortschritte der Psychiatrie und Psychotherapie den
kranken Menschen nicht ausreichend zu Gute kommen.Durch das politisch
gewollte und im Grundsatz begrüßenswerte Psychotherapeutengesetz (Einbeziehung
von auch nichtärztlichen Psychotherapeuten in die Gesetzliche Krankenkasse)
gab es eine Verschiebung der verfügbaren Ressourcen: Während nun für meist
leichtere Fälle mehr Geld zur Verfügung steht, werden diese dringend benötigten
Mittel teilweise jenen Patienten entzogen, die an schweren und schwersten
psychischen Krankheiten leiden. Dabei versorgen Psychiater ärztliche Psychotherapeuten
insgesamt weit mehr Patienten als "reine" Psychotherapeuten.
Richtigerweise wurden zudem viele psychiatrisch-psychotherapeutische "Fälle"
aus Einrichtungen, die Menschen mit körperlichen Krankheiten versorgen,
in Facheinrichtungen der Psychiatrie/Psychotherapie verlagert (allein
bei den Ersatzkassen stieg die Zahl von 2003 auf 2004 um 50.000). Auch
hier aber gilt: Um den Kranken die bestmögliche Behandlung zukommen zu
lassen, müssen auch die finanziellen Mittel an dieser Stelle ankommen.
Ein Urteil des Bundessozialgerichts vom Juli 2004 erschwert ferner die
klinische Forschung unnötig und steht damit im Widerspruch zum Willen
des Gesetzgebers, wonach "bei Patienten, die im Rahmen einer klinischen
Studie behandelt werden, die Entgelte für allgemeine Krankenhausleistungen"
von den Kostenträgern zu entrichten sind.
Die "gute Nachricht": Seit dem 1.1.2004 ist der Abschluss von Verträgen
über integrierte Versorgung grundsätzlich erleichtert worden. Integrierte
Versorgung bietet gerade psychisch Kranken Chancen besserer Behandlungsergebnisse.
Integrierte Versorgung kann mit einer Weiterentwicklung der Psych-PV verbunden
sein. Die DGPPN setzt große Hoffnungen darauf und hat entsprechende Rahmenkonzepte
entwickelt.
-*-*-*-*-
Zu einer Sonderveranstaltung zur Integrierten Versorgung am Freitag, dem
26.11. um 13.00 Uhr sind auch gesundheitspolitisch interessierte Medienvertreter
herzlich eingeladen
-*-*-*-*-
Ansprechpartner:
Prof. Dr.med. Jürgen Fritze
Arzt für Neurologie und Psychiatrie
Gesundheitspolitischer Sprecher der DGPPN
Asternweg 65
50259 Pulheim
Tel: 0173/512 32 50; Fax: 02238/54781
E-Mail
Pressekontakt:
MWM-Vermittlung
Kirchweg 3 B, 14129 Berlin
Tel.: 030/803 96-86; Fax: -87
E-Mail
|