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DGPPN Kongress 2004
Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde
ICC Berlin, 24. bis 27. November 2004
Probleme bei der Versorgung psychisch Kranker in Deutschland
am Beispiel der Depression
Pressetext von Prof. Mathias Berger, Freiburg
Zur allgemeinen Überraschung haben Studien der Weltgesundheitsorganisation
(WHO) ergeben, dass bereits jetzt (1), gemessen
an den mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen gelebten Jahren (2)
Depressionen weltweit das größte gesundheitspolitische Problem
darstellen. Etwa fünf Prozent der Menschen in Deutschland leiden
aktuell an einer Depression; es ist also von mindestens drei Millionen
behandlungsbedürftigen Patienten mit dieser Krankheit auszugehen.
Auch das Ausmaß anderer seelischer Erkrankungen ist hoch und die
Versorgung nicht immer ausreichend gewährleistet. Internationale,
aber auch in Deutschland im Rahmen des Kompetenznetzes "Depression und
Suizidalität" durchgeführte Untersuchungen erbrachten alleine
bei Depressionen erhebliche Unter- und Fehlversorgungen:
1. Häufig nennen Patienten bei Arztbesuchen ihre psychischen Probleme
nicht, da sie befürchten, sich dadurch gesellschaftlichen Ausgrenzungen
("Stigma") auszusetzen.
2. Häufig werden Depressionen, insbesondere in der hausärztlichen
Praxis (3), nicht diagnostiziert.
3. Auch bei diagnostizierten Depressionen werden sehr häufig die notwendigen
Therapiemaßnahmen, insbesondere über den notwendigen Zeitraum hinweg,
nicht durchgeführt.
4. Die Zahl der niedergelassenen Ärzte für Psychiatrie und
Psychotherapie ist, gemessen am Bedarf, zu gering und die Patientenzahlen
pro Praxis sind im Schnitt zu hoch, um eine ausreichende und differenzierte
Therapie gewährleisten zu können.
5. Überregionale Qualitätssicherungsprojekte haben gezeigt,
dass die Depressions-behandlung in psychiatrisch-psychotherapeutischen
Kliniken sehr gut ist. Es besteht jedoch eine ungenügende Vernetzung
mit den ambulanten Therapieeinrichtungen.
6. Die Qualität der Behandlung Depressiver in internistischen und psychosomatischen
Krankenhäusern ist nicht bekannt und bisher nicht gesichert.
Die DGPPN und die psychiatrisch-psychotherapeutischen Berufsverbände
unternehmen große Anstrengungen, um diese Situation zu verbessern:
1. Die bereits abgeschlossene Entwicklung von Versorgungsleitlinien
gemeinsam mit Hausärzten und ärztlichen und psychologischen
Psychotherapeuten, die unter anderem als fachliche Basis für die
Etablierung von Integrierten Versorgungsnetzen gedacht sind.
2. Organisation von Fortbildung der Hausärzte in der Diagnostik und
Therapie depressiver Störungsbilder, gemeinsam mit dem Deutschen Hausärzteverband.
Dies erfolgt auch im Rahmen dieses Kongresses.
3. Kontinuierliche Qualitätssicherungsprojekte sowohl in der ambulanten
als auch in der stationären psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung
mit der Implementierung von Qualitätszirkeln, Benchmarking und kontinuierlichen
Qualitätsverbesserungsmaßnahmen.
4. Gründung eines nationalen Programms zur Entstigmatisierung psychischer
Erkrankungen (siehe auch Pressetext von Prof. Gaebel) gemeinsam mit dem
Bundesgesundheitsministerium unter Schirmherrschaft von Gesundheitsministerin
Ulla Schmidt
5. Die Bedeutung psychischer Erkrankungen neben Depressionen
zum Beispiel auch Suchterkrankungen, Demenzen, Psychosen und Angsterkrankungen
wird weiter zunehmen, alleine aufgrund der demographischen Entwicklung.
Dem gegenüber sind Versorgungsstrukturen in Deutschland oft nur historisch,
aber nicht inhaltlich-fachlich verstehbar. Deshalb ist die Deutsche Gesellschaft
für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde mit anderen Berufsgruppen
und den politischen Parteien in Überlegungen eingetreten, ob eine
Neuauflage der Psychiatrie-Enquête (4) notwendig
ist und ob auf diesem Wege eine umfassende Verbesserung der Versorgung
ermöglicht werden kann.
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(1) also zum Beginn einer demographischen Entwicklung,
in der immer mehr Menschen glücklicherweise immer älter werden
und somit aber auch im Lauf des längeren Lebens häufiger erkranken
können
(2) years lived with disability
(3) zwei Grafiken dazu auf Anforderung
(4) Die Psychiatrie-Enquête aus der Mitte der 1970er Jahre war eine
ausführliche Stellungnahme von Fachleuten, die den damals äußerst
schlechten Stand der psychiatrischen Betreuung bemängelten, insbesondere
die wohnort-ferne Versorgung hinter hohen Mauern. Dies führte unter
anderem zu entsprechenden Gesetzesänderungen undab Ende der 70er
Jahre zu umfassenden Reformen, die national wie international hohe Anerkennung
fanden.
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Mathias Berger
Präsident der DGPPN
Universitätsklinikum Freiburg
Psychiatrie und Psychotherapie
Hauptstraße 5
79104 Freiburg
Tel.: 0761/270-6506; Fax: -6523
E-Mail
Pressekontakt:
MWM-Vermittlung
Kirchweg 3 B, 14129 Berlin
Tel.: 030/803 96-86; Fax: -87
E-Mail
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