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Frühzeitiges Altern bremsen
Was "Anti-Aging" ist und was nicht
Als medizinischen "Mega-Trend des 21. Jahrhunderts" hat die "Ärzte
Zeitung" (21.5.) kürzlich "Anti-Aging" bezeichnet. Die Frage scheint
nicht ob, sondern wie sehr dies übertrieben ist - angesichts eines
täglich breit diskutierten sowie eines verschwiegenen Megatrends:
Ersterer ist die molekulare Aufklärung von Krankheitsursachen und
die erhoffte kausale Therapie mittels Gentechnik. Fast blind hingegen
scheinen Medizin und Politik bei der zweiten Entwicklung, der "Überalterung"
mit ihren sozialmedizinischen Folgen. "Gleichgültigkeit" gegenüber
der "Verwahrlosung" alter Menschen in einer "Spaßgesellschaft, die
sich dem Jugendkult verschreibt", diagnostizierte jüngst der Berliner
Intensivmediziner Michael de Ridder im "Spiegel" (2.6.01).
Anti-Aging ist in der Tat keine Medizin für Alte, sondern ein zusammenfassendes
Schlagwort für alle Bemühungen, vorzeitiges Altern zu
verhindern. Alter Wein in gewinnversprechenden Schläuchen? Zum Teil.
Anti-Aging kann jedoch Präventivmedizin im besten Sinne sein.
Menschen in der "Ersten Welt" werden heute fast doppelt so alt wie noch
vor wenigen Jahrzehnten. Zwar hat die bundesweit gültige "Berliner
Altersstudie" (Akademie-Verlag, 1996) gezeigt, dass viele Senioren weit
besser mit ihrem Alltag zurechtkommen, als die negative Besetzung des
Begriffs "Alter" suggeriert, doch es bleiben die miteinander verwobenen,
vielfachen Krankheiten ("Multimorbidität"), die nicht nur annähernd
90 Prozent der Gesundheitskosten verursachen, sondern vor allem individuell
Lebensqualität beeinträchtigen.
Älterwerden und Alter heute ist eine Kombination aus biologischen
und zivilisatorischen Prozessen.
Schon Mitte der fünfziger Jahre hat der Russe Vladimir Dilmann in
seiner "Neuroendokrinen Theorie des Alterns" darüber nachgedacht,
wie den "Regulationsstörungen" entgegengewirkt werden könne,
zu denen Diabetes, Herz-Kreislauf-Krankheiten, Krebs, Autoimmunerkrankungen,
Osteoporose, Depressionen und manches mehr gehören. Der Begriff "Anti-Aging"
wird auf den Amerikaner Edmund Chein zurückgeführt, der 1994
ein entsprechendes Institut gründete.
Fünf "Säulen" der Anti-Aging-Bemühungen macht der Leiter
der Gesundheits-Akademie in Berlin, Klaus Schwanbeck, aus. Wohl am unumstrittensten
ist die Bewegungstherapie. Nicht Leistungssport, sondern regelmäßiges
Ausdauertraining reduziert das Risiko etwa für Herzinfarkt und Schlaganfall
sowie für Erkrankungen des Bewegungsapparates. "Du musst weniger
tun, als Du glaubst", lautet Schwanbecks Credo. Sogar das Aachener Institut
für Ernährungsmedizin und Diätetik folgerte kürzlich
aus der Zusammenfassung einschlägiger Studien, dass regelmäßige
Bewegung für Gesundheit und Jungbleiben mehr hergibt als einfaches
Abspecken.
Dennoch bleibt die Umstellung der ErnŠhrung zweite wichtige Säule
von Anti-Aging.
"Stressmanagement" nennt Schwanbeck die dritte, zu der mentales und körperliches
Training spätestens ab dem 35. Lebensjahr gehören.
Schon weniger ausgereift hingegen ist bisher die Umweltmedizin.
Nicht unumstritten schließlich der Ersatz von Substanzen, die im
Alter unzureichend gebildet werden ("Supplementierung"). Wie weit die
Gabe von Antioxidantien - zu denen Vitamine gehören - "Freien Radikalen"
im Organismus und so Zellentartung und vorzeitigem Altern entgegenwirkt,
ist nicht endgültig geklärt.
Hingegen häufen sich die Hinweise, dass die äußere Zufuhr
von Östrogenen bei eindeutig diagnostiziertem Hormonmangel und sorgfältiger
Beachtung von eventuellen Risiken zum Beispiel der Osteoporose und bestimmten
Krebsarten vorbeugt.
Mancherlei Bekanntes wird ebenfalls unter das Dach des "Anti-Aging" gestellt.
Dazu gehšren "ästhetische Dermatologie" und Plastische Chirurgie.
Sicherlich wird die Frage, ob man übermäßigen, frühzeitigen
äußeren Alters-Erscheinungen mit Schönheits-Medizin begegnen
dürfe, mittlerweile weniger ideologisch gesehen; die Frage nach sorgfältiger
Indikationsstellung aber bleibt.
Wie ernst zu nehmen das Konzept "Anti-Aging" auf Dauer ist, wird davon
abhängen, ob es die Medizin schafft, Spreu vom Weizen zu trennen.
Zu einem Kongress "AntiAging Medizin 2001" in Berlin wies das Programm
neben seriösen Vorträgen auch reichlich solche auf, in denen
der "Verkauf" von Leistungen und Produkten im Vordergrund zu stehen schien.
Und manche Ärzte-Organisationen haben längst damit begonnen,
"Anti-Aging"-Angebote als Strategie zu preisen, den Umsatz der Praxen
zu steigern.
Alter ist keine Krankheit. Aber Altern beginnt schon nach der Pubertät.
Anti-Aging als Vorbeugung für Jüngere dürfte
dort sinnvoll sein, wo kalendarisches und biologisches Lebensalter zu
sehr auseinander klaffen - sei es nun aus genetischen oder aus selbst-"verschuldeten"
Gründen.
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